Sie saß stumm auf dem Stuhl und dachte nach. Über das, was sie geleistet hatte. Mehrere Kinder in die Unterwelt geführt und Ragami getötet. Und dann Tammo umgebracht. Aber das war egal. Sie war schließlich die Kanzlerin. Keiner konnte ihr etwas anhaben. Sie erhob sich und ging langsam auf das Eingangsportal zu, das aber zu dieser Zeit geschlossen war. Kurz vor den Türflügeln blieb sie stehen und rief nach Tildâr. Der Ilaner kam durch eine offen stehende Seitentür in den Saal.

     „Sie haben gerufen…“

„Bring mir meinen Umhang. Und dann ruf deine Untergebenen zusammen und postiere sie vor dem Eingangstor.“ Tildâr verneigte sich kurz. „Wie Ihr wünscht.“ – „Und“, fügte Themma Tighhoor noch eindringlich hinzu. „Beeil dich.“ Tildâr verneigte sich ein weiteres Mal, dann verschwand er wieder. Als Tildâr verschwunden war, klatschte Themma in die Hände und das Portal vor ihr öffnete sich. Die Kanzlerin schritt hindurch und es schloss sich wieder. So leise, wie es aufgegangen war. Tagsüber waren alle Sicherungen inaktiv, sodass gefahrlos durch die Korridore gegangen werden konnte. Themma durchschritt den Gang und kam bald darauf an eine weitere Tür. Diese öffnete sie und stand im Ankunftsraum. Ihre Gondel wartete schon auf sie, die Tür war offen. Die Kanzlerin kletterte auf den Sitz, schloss die Tür und dann fuhr die goldene Gondel los. Aus einem Lautsprecher drang die elektronisch verzerrte Stimme Tildârs. „Was sollen wir tun, wenn die Bevölkerung etwas mitbekommt?“, fragte er.

„In diesem Fall“, erwiderte Themma kühl. „Darf ich dich bitten, etwas dagegen zu unternehmen. Wenn sie einen Aufstand machen, dann sorg dafür, dass dieser Aufstand – ein eventueller Funke von Widerstand – wieder erlischt. Ich danke dir.“ Mit diesen Worten drückte Themma auf eine bräunliche Taste und das Signal, das die Gondel mit dem Palast der Macht verband, erlosch. Nun konnte sie keiner mehr kontaktieren. Es sei denn, Themma wollte es. Sie hatte ein wenig Angst, aber nur so viel, dass es ihr den Mut verlieh, eine alte Bekanntschaft wieder aufleben zu lassen und sich Unterstützung zu holen. Schließlich musste mit allen Mitteln verhindert werden, dass Themma Tighhoor gestürzt wurde.

Den Keller und den Rest des Hauses hatten sie schnell hinter sich gelassen, weshalb sie jetzt vor der offenen Haustür standen und sich gegenseitig ansahen. Sie musste keine Worte nennen, damit die Controller wussten, in welche Richtung sie gehen sollten. Das Ziel war allen bekannt.

     Der Palast der Macht.

Sie setzten sich in Bewegung und gingen die morgendliche Straße entlang. Es war nur wenig los um diese Uhrzeit, da es noch recht früh war. Die Schule würde auch erst in paar Stunden beginnen. Vögel kreisten am Himmel und dekorierten den rötlichen Himmel, der durch das Sonnenlicht erzeugt wurde. Einige Bahnen und Gondeln fuhren durch die Stadt. Auch ein paar Menschen waren unterwegs, besonders diejenigen, die früh arbeiten mussten. Nach einiger Zeit kamen sie an die große, breite Treppe, die in den Innenring führte. Es waren gut und gern dreißig breite Stufen, bis die Controller auf einem kleinen Vorplatz landeten, von dem nach links und rechts jeweils eine große Straße abging, die den gesamten Innenring kreisförmig durchzog. Vor ihnen lag die große breite Hauptstraße, die zum Palast der Macht führte. Er stach den Kindern direkt ins Auge. Die Sonnenstrahlen kletterten, da die Sonne im Rücken der Kinder aufging, die Mauer hinauf und hatten bald den ganzen Palast in helles Licht getaucht. Je höher die Kinder blickten, desto verschwommener wurde das Licht allerdings und das Blau des Himmels verblasste auch, da die Abgase der Fabriken den Himmel sehr weit oben verschmutzten – trotzdem konnte man das Blau des Himmels erkennen. Aus einem kleinen Seitentor, das direkt neben dem großen Haupttor in die Mauer eingelassen war, trat ein Bataillon von Ilanern und bezog vor dem Haupttor ihren Posten. Einige Bürger der Stadt blickten verwundert, als sie vorbeikamen, aber der grimmige Ausdruck in den Augen und Gesichtern der Wachen ließ sie stumm vorbeiziehen.

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